LuxSpots | Event: Der „Tölzer Veg“, Bad Tölz
Vegan essen ist nicht nur in, es ist auch gesund. Regelmäßig wiederkehrende Lebensmittelskandale und schockierende Berichte über die Zustände in der Massentierhaltung haben die Zahl der vegan lebenden Menschen in Deutschland mittlerweile auf rund 1,3 Millionen wachsen lassen, Tendenz steigend.
Diesen Trend hat auch die traditionsreiche Kurstadt Bad Tölz erkannt und einen sogenannten „Tölzer Veg“ ins Leben gerufen. Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, bietet das idyllische Isarstädtchen veganen Touristen vier Wochen lang ein abwechslungsreiches Programm für Körper, Geist und Seele. Und das bereits erfolgreich seit fünf Jahren.
Im Gegensatz zu mir, kommen die meisten „Veggie“-Touristen nicht für einen Schnuppertag nach Bad Tölz, sondern planen eine komplett fleischfreie Woche ein. Das ist nicht nur aufgrund des umfangreichen Programms äußerst sinnvoll, bei dem es von der veganen Ernährung über Kochkurse bis zu Yoga und Entspannungsübungen geht, sondern bietet auch einen finanziellen Vorteil. Denn neben den günstigeren Wochen-Pauschalangeboten für jedermann, erhalten Mitglieder einiger Krankenkassen zusätzlich einen finanziellen Zuschuss, wenn sie mehrere Tage veganen Gesundheitsurlaub buchen.
Auf Herz und Cholesterin geprüft
Damit die Teilnehmer des „Tölzer Veg“ den Erfolg ihres Bemühens nicht nur spüren, sondern auch objektiv messen können, bietet das örtliche Vitalzentrum einen Eingangstest an, bei dem unter anderem Gewicht, Blutzucker, Cholesterin und Körperfettgehalt gemessen werden.
Gabi Peters, Marketingleiterin des Tourismusreferats, erzählt mir bei unserem Treffen im Gasthaus Kolberbräu, – natürlich bei einem veganen Drei-Gänge-Menü aus Kürbissuppe, asiatischer Reispfanne und veganem Toffeeeis – dass die medizinische Abschlussuntersuchung am Ende des veganen Urlaubs bei den Teilnehmern regelmäßig freudiges Erstaunen hervorruft. Der Grund: Bei fast allen kommt es zu einer Senkung des Gesamtcholesterinspiegels bei gleichzeitiger Erhöhung des guten Cholesterins HDL, das vor Arteriosklerose und Herzinfarkt schützt. Zusätzlich hat sich der Körperfettanteil reduziert und die Muskelmasse hat zugenommen. Kein Wunder, dass viele Teilnehmer des „Tölzer Veg“ Wiederholungstäter sind. Man freut sich nicht über ein erlebnisreiches Programm wie Kochevents, Infoveranstaltungen und Sport, sondern hat nachweislich auch etwas für die eigene Gesundheit getan.
Der Weg zum „Tölzer Veg“
Die Idee zum „Tölzer Veg“ entstand 2013 mit dem Plan eines lokalen Bio-Lebensmittelmarktes, eine „Vegan-Challenge“ nach dem Rezept von Attila Hildmann durchzuführen und vier Wochen dessen vegane Gerichte zu kochen. „Als ehemaliger Kurort fanden wir die Idee gut, seinen Lebensstil nachhaltig so zu verändern, indem man gesund lebt, ohne sich übertrieben einzuschränken“, erklärt Gabi Peters. Das Tourismusamt flankierte die Aktion mit diversen Programmen wie Informationsveranstaltungen, Sport, Kocheinheiten und Motivationstraining und geboren war der „Tölzer Veg“.
„Die Grundidee dabei ist, die Leute nicht zum Veganer zu überreden, sondern zu informieren und zu einer gesunden Lebensweise anzuregen“, betont Peters. Viele Gäste hätten auch bestätigt, dass sie sich nach mehreren Wochen veganer Ernährung wesentlich besser fühlten, was schließlich auch die Blutanalysen und medizinischen Tests bestätigten. „Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Gründen wie Lebensmittelunverträglichkeit, Migräne oder Allergien, und die meisten sind positiv überrascht, wie ihnen die Umstellung geholfen hat“, freut sich Peters. Sie und ihr Team fühlen sich bei ihrem Programm, „das weltweit einzigartig ist“, bestätigt.
Das Erfolgsrezept
Ein Erfolgsrezept des „Tölzer Veg“ ist sicherlich, dass verschiedene Hotels, Restaurants, Cafes, Bars und selbst Biomärkte an dem Programm teilnehmen. Auch mit Hilfe von Messebesuchen und die positive Berichterstattung von Bloggern und Journalisten, hat sich in der „Tölzer Veg“ in der Veggie-Szene herumgesprochen und ist mittlerweile selbst zu einer Marke geworden.
Mein veganer Weg führt mich weiter zum „Café im Süden“ im Zentrum von Bad Tölz, das mit sehr viel Liebe und Geschmack eingerichtet ist. Dort überrascht mich Chefin Snezana Schreibbauer mit der Ankündigung, ihr beim Kuchenbacken zu helfen. Man sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass ich in meinem Leben noch nie einen Kuchen gebacken habe. Unser Ziel ist ein Maronen-Avocado-Schokoladen-Rohkostkuchen, natürlich rein vegan. Nachdem wir Nüsse, Datteln und Kakao zerkleinert und vermengt haben, darf ich noch sechs Avocados mit der Hand zerdrücken. Ein echter Spaß. Zum Schluss lerne ich noch, dass man einen Rohkostenkuchen nicht in das Backrohr stellt, sondern im Kühlschrank mindestens 12 Stunden ruhen lässt.
Veganer Kochkurs
Nächste Station ist ein Kochkurs im Vitalzentrum von Bad Tölz. Hier finden auch die meisten Informationsveranstaltungen zum Thema vegane Ernährung statt. Doch bevor wir uns an die Zubereitung von veganen Nachspeisen wie Churros, Zimtbälle, Bärentatzen und Marzipankugeln mit Brennnesselsamen machen, hält uns Dr. Annette Nagel, Ernährungsberaterin und Kräuterpädagogin, einen kurzweiligen Vortrag über die vegane Ernährung. Als ehemalige Betreiberin eines veganen Bistros in der Nähe von München, weiß sie von den Schwierigkeiten der veganen Nahrungsmittelbeschaffung: „An den Anfängen der Menschen hat man sich schwer getan ein Tier zu finden, heute hat man eher das Problem, etwas ohne tierische Zutaten zu finden“, erklärt Annette Nagel. Auch lerne ich, dass Sauerkraut sehr gut für den Darm und nicht jeder Wein automatisch auch vegan ist. Der Grund: Bei der Herstellung wird der Wein durch tierisches Eiweiß geklärt. Ein veganer Wein dagegen mit Mineralien, Weinstein und Natron. Auch Wodka und Whiskey wird häufig über Tierkohle gefiltert.
Mit dieser ernüchternden Erkenntnis mache ich mich schließlich auf den Weg zur Pension Sibylle, das ebenfalls als Partnerhotel am „Tölzer Veg“ teilnimmt. Betreiberin Petra Reinartz hat aus dem alten Haus im Kurviertel von Bad Tölz ein wahres Idyll geschaffen. Jedes ihrer 13 Zimmer ist individuell eingerichtet und man fühlt sich sofort zu Hause.
Am „Tölzer Veg“ ist sie seit drei Jahren beteiligt und begeistert von der Resonanz: „Wir sind gefragt worden, ob wir mitmachen wollen und da ich mich für Ernährung interessiere, habe ich zugesagt.“ Um ihren veganen Gästen auch den bestmöglichen Service zu bieten, hat Petra Reinartz spezielle Rezepte herausgesucht und ein eigenes Frühstückssortiment entworfen. „Das ist natürlich aufwendiger, aber die Gäste sind begeistert, weil sie in großen Hotels wesentlich weniger Auswahl bekommen“, freut sich Reinartz. Dem kann ich nur zustimmen und mache mich nach einem wirklich ausgezeichneten veganen Frühstück gestärkt auf die Heimreise.