Das Menü für Eckart Witzigmann

Kontakte

Landhaus Bacher GmbH
Lisl Wagner-Bacher und Susanne Dorfer-Bacher
Südtirolerplatz 2, A-3512 Mautern
Tel +43 (0) 2732 82 937, Fax +43 (0) 2732 74 337
info(at)landhaus-bacher.at


Weingut Türk
Kirchengasse 16, A-3552 Stratzing
Tel +43 (0) 2719 28 460, Fax +43 (0) 32719 28 464
info(at)weinguttuerk.at

Grüner Veltliner und neun Gänge für Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann

Ein ungewöhnliches Vorgespräch zu einer besonderen Weindegustation: Wir begleiten Eckart Witzigmann und Franz Türk zu einem Abendessen in das renommierte Landhaus Bacher. Bei einem fulminanten Menu von Spitzenkoch Thomas Dorfer lernen wir Eckart Witzigmann kennen, den Grand Seigneur der deutschsprachigen Küche – persönlich und in privater Runde. Ein Gespräch über Genuss und Leidenschaft.

Unterwegs in der Wachau

Zwischen historischen Dörfern liegen flache Weinberge aus deren Trauben zahlreiche Weine entstehen, so auch der Grüne Veltliner – der vielleicht typischste aller österreichischen Weißweine und neben dem Riesling das Aushängeschild der Region. Hier erreicht die wichtigste und verbreitetste Rebsorte Österreichs zahlreiche Nuancen dank der Böden aus Urgestein und Löss sowie aufgrund unterschiedlicher kleinklimatischer Verhältnisse.

Der Grüne Veltliner „Edition Eckart Witzigmann“ (2015) – Das Werk zweier Perfektionisten

Der eigentliche Grund unseres Besuches ist der Grüne Veltliner „Edition Eckart Witzigmann“ (2015). Diesen Wein hat Franz Türk für und gemeinsam mit seinem berühmten Landsmann zu dessen 75. Geburtstag kreiert. Diese ungewöhnliche Kooperation interessiert uns, weshalb wir beide, den Winzer und den ehemaligen Drei-Sterne-Koch, auf dem Weingut Türk im idyllischen Stratzing treffen. Zur Vorbesprechung unseres Drehs am Folgetag brechen wir kurz vor 18 Uhr zum gemeinsamen Abendessen auf. Neben uns sind noch Türks Ehefrau Margit und Witzigmanns Lebensgefährtin Nicola Schnelldorfer mit dabei. Franz Türk lenkt seinen Bus mit unserer kleinen Reisegesellschaft ins nahegelegene Mautern an der Donau. Ziel ist das Landhaus Bacher, eine der besten Adressen für Feinschmecker in Niederösterreich. Die frühe Uhrzeit ist bewusst gewählt und wir ahnen noch nichts von dem, was uns kulinarisch erwartet: rund fünf Stunden reinen Genusses liegen vor uns.

Ehrenformation und roter Teppich im Landhaus Bacher

Als wir das Genießerhotel Landhaus Bacher betreten, steht Küchenchef Thomas Dorfer mit Familie Bacher und dem gesamten Personal Spalier. Die Begrüßung ist herzlich. Dorfer strahlt besonders. Seit langem ist es sein Wunsch, Eckart Witzigmann hier willkommen zu heißen.
Thomas Dorfer  ist vom Shootingstar zu einem der bekanntesten österreichischen Köche avanciert. Er wird heute sämtliche Facetten seines Könnens zeigen. Mit seinem Team hat Dorfer eigens ein Menu für den Besuch vom „Chef“ erdacht – wie Witzigmann mit größtem Respekt allerorts von Kollegen und ehemaligen Mitarbeitern genannt wird. Denn Eckart Witzigmann hat Generationen von Köchen als Vorbild gedient und die Kochkunst in Deutschland, Österreich und der Schweiz entscheidend mitgeprägt. Viele bekannte Gesichter der Sterneküche haben einst unter ihm gelernt und mit ihm gearbeitet, wie Hans Haas, Bobby Bräuer, Karlheinz Hauser, Roland Trettl oder Harald Wohlfahrt. Witzigmann selbst hat während seiner Ausbildung in die Kochtöpfe von Paul Bocuse in Paris und den Gebrüdern Haeberlin im Elsass geschaut, um später die Küche hierzulande zu revolutionieren. Als erster Küchenchef des Genusstempels Tantris und anschließend mit seinem eigenen Drei-Sterne-Restaurant Aubergine in München konnte Witzigmann Kochgeschichte schreiben. Ihm ist es zu verdanken, dass die Nouvelle Cuisine in den 1970er Jahren in Deutschland Fuß fasste. Und ohne diesen Pionier sähe es im deutschsprachigen Raum kulinarisch wahrscheinlich anders aus – böse Zungen behaupten fast mittelalterlich.

Reine Familiensache

Das Landhaus Bacher ist ein Familienbetrieb durch und durch. Lisl Wagner-Bacher übernimmt 1979 den Gasthof ihrer Eltern und führt diesen gemeinsam mit ihrem Mann Klaus als Hotel weiter. 1983 wird sie vom Gault Millau zum „Koch des Jahres“ ernannt.
Mehr als drei Jahrzehnte stand sie (und ab und zu steht sie auch heute noch) hinter dem Herd ihres Restaurants, lebt bis jetzt ihre Leidenschaft und gilt als Grande Dame der österreichischen Küche. Das wäre jedoch keine Arbeit für sie gewesen, wehrt Lisl Wagner-Bacher lachend auf unsere Frage ab, ob neben Spitzengastronomie und Familie überhaupt noch Zeit für sie selbst blieb. Sie sei Tag für Tag dankbar, dass sie das machen dürfe, was sie liebt. Diese Begeisterung hat sie an die beiden Töchter Christina und Susanne weitergegeben, die ebenfalls mit Herzblut im elterlichen Betrieb mitarbeiten.

Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf

Schwiegersohn Thomas Dorfer absolvierte im Landhaus Bacher seine Kochlehre. Damals sei ihm bereits eine der beiden Bacher-Töchter aufgefallen. Nur ein Schwärmen natürlich – mehr wäre undenkbar gewesen. Anschließend zog er in die Welt hinaus, um die Kunst des Kochens weiter zu perfektionieren, was ihm außerordentlich gut gelungen ist. Als Weggefährte des Schweizer Ausnahmekochs Andreas Camida durchläuft Dorfer dieselbe Schule und zählt wie dieser zu der aufstrebenden Generation seiner Zunft, die selbstbewusst neue Wege beschreitet. Als international prämierter Jungkoch, kehrt der ehemalige „Lehrbub“ schließlich ins Bacher zurück, um das Herz seiner Susanne zu erobern.

Von Kochlöffeln im Schlemmer-Atlas, Sternen im Guide Michelin und anderen Trophäen

Doch nicht nur die Tochter des Hauses hat er überzeugt, sondern gleich die ganze Familie mit. So kam es, dass Schwiegermutter Lisl Wagner-Bacher ihm ihre Küche anvertraut hat – das will etwas heißen. Schließlich ist die Hotelbesitzerin mit Leib und Seele bei der Sache, hat das Landhaus Bacher weit über die Wachau und Österreich hinaus bekannt gemacht, zahlreiche Prämierungen und drei Hauben vom Gault Millau erkocht. Schwiegersohn Dorfer steht dem in Nichts nach und wird 2009, wie ehemals Lisl Wagner-Bacher, vom Gault Millau als Koch des Jahres ausgezeichnet.

In Erinnerungen schwelgen

Während uns ein nimmer enden wollender Reigen aus Aperohappen – kleine, feine Kunstwerke für Augen und Gaumen – auf die folgenden Gänge einstimmt, gesellen sich Lisl Wagner-Bacher und Mann Klaus an den Tisch. Die beiden freuen sich, den „Eckart“ mal wieder zu sehen. Lisl Wagner-Bacher erinnert sich an frühere Zeiten, als sie Eckart Witzigmann kennengelernt haben: Damals waren sie als junges Ehepaar auf der Durchreise in München und beschlossen im Tantris einzukehren. Sie versuchten kurzfristig einen Tisch zu bekommen, doch alles war eigentlich reserviert gewesen. Als sie sagten, sie seien zwei junge Kollegen aus der Wachau, hat es geklappt. Sie haben sich gleich gut mit dem Eckart verstanden. Lachend erzählt sie weiter, wie sie zur Jahrtausendwende für Familie und Freunde ein grandioses Menu aus einem Witzigmann-Kochbuch zubereitet hat. Es sprudelt aus ihr heraus – kulinarische Anekdoten aus mehreren Jahrzehnten. Das Erzählen liegt ihr, der Fernsehköchin beim ORF und Kochbuchautorin. „Das Landhaus Bacher“, ihr aktuelles Werk, steht auf der Fensterbank im Restaurant und zeigt Lisl Wagner-Bacher gemeinsam mit Nachfolger und Schwiegersohn Thomas Dorfer.

Der König unter den Königen

Die ersten beiden Gänge werden serviert: marinierte Avocado & junger Rettich mit Kokosnuss, leicht gesäuertem Sellerie, Passionsfrucht und Kokos-Limettenmarinade. Es folgt geschmorte weiße Aubergine & Steinpilze mit piemontaiser Haselnüssen, Kombu Alge und leicht gebundenem Raukesud. Ungewohnt und wunderbar – so fällt das allgemeine Urteil der Runde aus. Zwischendrin kommt ein anderer Gast des Restaurants an unseren Tisch, um seinem Idol einfach nur „Hallo“ zu sagen, wie der Mann es formuliert. Witzigmann wechselt freundlich ein paar Sätze mit ihm. Die Vermutung, dass eine solche Begebenheit keine Seltenheit sei, bestätigt Nicola Schnelldorfer. Die Lebensgefährtin ist auch Witzigmanns rechte Hand, organisiert sein Büro und koordiniert Termine und Presseanfragen. „Egal, wo wir ausgehen – die Menschen erkennen ihn.“ Österreicher und Deutsche sind gleichermaßen stolz auf ihn. Er ist längst auf dem Olymp des „Kochhimmels“ angelangt. Das Medieninteresse lässt nicht nach. Niki, wie Witzigmann seine Lebensgefährtin liebevoll nennt, lächelt. Ja, es waren viele Interviewanfragen, gerade im Vorfeld zu seinem 75. Geburtstag.

Von der Kunst der Bescheidenheit

Wir sprechen am Tisch darüber, wie sich das Ansehen der Köche im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre verändert hat – auch in Deutschland. Das alles hat Witzigmann miterlebt und stark beeinflusst. Denn früher war der Koch im Gegensatz zum Kellner nicht zu sehen, blieb in der Anonymität der Küche verborgen. Das hat sich zögerlich gewandelt. Der Küchenchef hat sich langsam zum Gespräch an die Tische seiner Gäste begeben und ist schließlich bis in die Wohnzimmer gelangt – auf die Bildschirme der Fernsehzuschauer und in die Bücherregale der Hobbyköche. Auch Witzigmann hat bei zahlreichen TV-Sendungen mitgewirkt. Die Liste seiner Veröffentlichungen als Kochbuchautor ist nicht minder lang. Diese Entwicklung in den Medien ist nicht zu trennen von der Entwicklung der Kulinarik in Deutschland hin zur Gourmetküche. Eckart Witzigmann hat diese ausgelöst und den Deutschen das Genießen beigebracht. Mehr als er, kann man nicht an Ehren in seinem Berufsstand sammeln – anmerken lässt er sich davon jedoch nichts. Überheblichkeit scheint ihm fremd zu sein. Er, der die Nouvelle Cuisine weiterentwickelt und alles Folgende damit möglich gemacht hat, sieht sich selbst nicht als Künstler. Soviel Bescheidenheit beeindruckt uns aus dem Mund eines Mannes, den der Gault Millau 1994 zum „Koch des Jahrhunderts“ gekürt hat – eine Auszeichnung, die bisher nur drei Franzosen zuteil geworden ist.

Der Leidenschaft weiterhin frönen

Eckart Witzigmann steht mittlerweile nicht mehr selbst am Herd, nur noch privat. Täglich sucht er bei „seinen Ständen am Viktualienmarkt“ im Herzen von München aus, was er sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Niki zubereitet. Der Spitzengastronomie ist er dennoch treu geblieben. Als Patron berät er seit 2003 das Ikarus im Hangar-7 am Salzburger Flughafen. Zwei Sterne zieren das Restaurant von Red-Bull-Inhaber Dietrich Mateschitz mittlerweile. Witzigmann erzählt, wie er und der „Didi“ an dem ungewöhnlichen Konzept gefeilt haben: Internationale Starköche wechseln im monatlichen Turnus, um den Gästen die Gourmetküchen der Welt auf den Teller zu bringen. Wir fragen, was einen herausragenden Koch ausmacht und was wohl allen gemein ist. Witzigmann erklärt uns seine Philosophie, in der die einzelne Zutat im Mittelpunkt stehe – ihre Qualität sei entscheidend. Die richtige Auswahl und der respektvolle Umgang mit Lebensmitteln – diese Haltung verbindet Eckart Witzigmann auch mit Franz Türk. Koch und Winzer sind sich einig: Auf die verwendeten Produkte komme es an. Nur wenn diese stimmen, könne es das Endprodukt auch gut sein. Das treffe sowohl auf ein Gericht, als auch auf einen Wein zu.

2015: ein bemerkenswerter Jahrgang für Weine aus Österreich

Im Landhaus Bacher haben wir mittlerweile den Grünen Veltliner der Edition „Eckart Witzigmann“ im Glas. Namensgeber und Winzer sind zufrieden mit ihrem Ergebnis. „Der warme Sommer 2015 hat den Trauben gut getan“ sagt Franz Türk und erklärt, dass jedes Jahr seine eigene Charakteristik hat und eine Flasche Wein unverwechselbar macht. Eckart Witzigmann erzählt, dass er seit jeher österreichische Weine schätzt. Sie seien auf all seinen Weinkarten zu finden gewesen. Das habe sich auch nicht Mitte der 1980er Jahre geändert, in einer Zeit, wo der Ruf dieser Weine gelitten hatte. Witzigmann erinnert sich, dass er in der Küche gerne auch den Veltliner-Verjus, einen Saft aus noch unreifen Trauben, verwendete, um mit dessen zarter Säure seine Saucen zu verfeinern. Die fast verloren gegangene Tradition des Verjus-Pressens wird auch auf dem Weingut Türk noch gepflegt. Bei der Menuabfolge im Landhaus Bacher sind wir in der Zwischenzeit beim Fischgang angelangt: Wildfang Steinbutt, Powidl (österreichisch für Pflaumenmus) & Vulcanoschinken mit glasierten Essigzwetschken, grünen Bohnen, Gewürz-Cashewnüssen und Topfen. Der Grüne Veltliner harmoniert perfekt mit dem Gang. Lisl Bacher-Wagner nimmt einen Schluck und charakterisiert den Inhalt ihres Glases spontan als „frisch und fröhlich – so wie der Eckart“. Dem gefällt das Kompliment: „Mich interessiert nur ein ehrliches Urteil, eine Ölspur brauche ich nicht.“ Die Runde stößt auf die gelungene Edition und den Jubilar an.

Im Genuss schwelgen

Und es wird weiter aufgetischt: Ravioli mit auf Holzkohle gegrilltem Spanferkel und Räucheraal, jungem Spitzkraut, Apfelessiggelee und Szegedinerschaum. Es folgt: Rehbock aus dem Waldviertel mit weißen Rüben, Gewürz-Dattelcreme sowie karamellisierten Zwiebeln.Vom Wein, als passenden Speisenbegleiter, geht das Gespräch hin zu den Unterschieden in der alpenländischen Küche und schließlich zum Bergsport, denn Eckart Witzigmann war begeisterter Skifahrer. Früher sei er gerne auf dem Arlberg gefahren. Schließlich sprechen wir über das Arlberg Hospiz und den legendären Weinkeller dort. Der Grand Seigneur kennt auch hier die richtigen Geschichten. Mit einer „geflämmten Topfencrème und dem Wachauer Pfirsich mit Mandelsable, griechischem Joghurt, Zitronenkraut und Bourbon-Sauerrahmeis“ als letzten Gang, erscheint Thomas Dorfer aus der Küche und setzt sich zu uns.

Lob vom Meister

Witzigmann applaudiert spontan, die übrigen Gäste schließen sich an. „Das war eine Spitzenleistung“, fällt sein Urteil aus. Dorfer freut sich über das Lob. Witzigmann beschreibt der Tischgesellschaft, welche große Anstrengung ein solcher Abend für einen Küchenchef und sein Team bedeute, wie viel Disziplin und Erfahrung hier gefragt sind, damit eine solche Punktlandung bei jedem Gang gelingen kann. Er fachsimpelt mit dem jungen Kollegen über die einzelnen Speisen, die Kunst regionale Küche aufzugreifen und kreativ neu zu interpretieren. Dorfer erzählt von seiner speziellen „Stosuppe“ (österreichisch für Stoßsuppe) – einer traditionellen Suppe aus Sauermilch. Das ursprüngliche Rezept dazu hat er aus seiner Heimat Kärnten mitgebracht und raffiniert verfeinert. Witzigmann interessiert sich für die Zutaten, Dorfer verrät: eine Bouillon aus Rind, Lamm und Huhn, perfektioniert mit Gewürzen wie Zimt und Piment. Spontan bittet Dorfer einen Kellner doch eine kleine Kostprobe für die Gäste zu servieren. Nach neun Gängen und einem „süßen Ausklang“ zum Abschluss, können wir uns nicht vorstellen überhaupt noch einen Löffel Suppe zu uns zu nehmen. Doch als die duftend heiße Stosuppe als Probierportion in Espressotassen gereicht wird, überwiegt die Neugier. Die Tischrunde ist sich einig: außergewöhnlich und köstlich. Was für ein Abend! Die beste Vorbereitung auf die morgige Weinverkostung bei Franz Türk im Kremstal.