Erscheinungsdatum: 3. April 2018
Gebundene Ausgabe: 256 Seiten (s/w)
Verlag: Westend
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3864892035
Preis: 24,00 Euro (inkl. MwSt.)
Franz Keller: „Vom Einfachen das Beste“
Franz Keller gehört zu den renommiertesten Köchen in Deutschland. Er lernte sein Handwerk bei Kochlegenden wie Jean Ducloux, Paul Bocuse oder Michel Guérard und konzipierte als einer der Ersten die „Neue Deutsche Küche“. Keller stand bereits für die Queen und Staatsoberhäupter wie Angela Merkel oder Wladimir Putin in der Küche. Doch Anfang der 1990er Jahre verabschiedet sich Keller bewusst aus dem „Sterne-Zirkus“ wie er es nennt und verfolgt seitdem konsequent seine eigene Philosophie: „Vom Einfachen das Beste“.
Kellers Küchenkarriere
In seinem Anfang April 2018 im Frankfurter Westend Verlag erschienenen Buch, führt Franz Keller den Leser in der ersten Hälfte seines Werkes durch die eigene Lehr- und Kochzeit unter dem kulinarischen Sternehimmel. Unverschnörkelt und authentisch gibt der Autor seine Lebens- und teilweise Leidensgeschichte zum Besten, die zwischen gnadenloser Hektik der Haute Cuisine und der eigenen Sinnsuche pendelt.
Der Leser erfährt, dass Franz Keller erst auf Drängen seines Vaters eine Kochausbildung bei Hans Beck in der Zähringer Burg in Freiburg absolviert. Damals schon störten ihn „die fast militärische Strenge und der Kommandoton in der Küche [sowie] die langen Arbeitszeiten“. Dennoch hält Keller durch und bemerkt schließlich, „dass Koch ein toller Beruf ist. Es ist ein wunderbares Handwerk, du kannst alles selbst machen, produzieren und selbst bestimmen, du hast ein sehr direktes Ergebnis und bekommst ein unmittelbares Feedback.“ Letzteres fällt von Betrieb zu Betrieb besser aus und wird schlussendlich ebenfalls mit Michelin-Sternen gewürdigt. Auszeichnungen, die nicht von vornherein für ihn absehbar oder selbstverständlich sind. Denn als als junger Koch aus Deutschland, geht Franz Keller zu den Großmeistern ihres Faches nach Frankreich, ohne die Sprache vorher wirklich zu beherrschen: „Ich musste verdammt schnell Französisch lernen, um wenigstens in der Küche zu verstehen, wo es langgeht. Versagen durfte ich nicht, denn mein Ziel hieß schließlich Paul Bocuse.“ Der Jahrhundertkoch empfiehlt Keller später an Michel Guérard, einem weiteren Star der „Nouvelle Cousine“ nach Paris, bevor er in den heimischen Gasthof „Schwarzer Adler“ nach Baden als Küchenchef zurückkehrt und dort zwei Michelin-Sterne erkocht.
Es könnte eine glattgeschliffene Erfolgsgeschichte eines Sternekochs folgen, doch Keller ist ein Mensch mit Ecken und Kanten. Er vertritt seine eigene Meinung und lehnt sich insbesondere gegen seinen dominanten Vater auf beziehungsweise wendet sich von ihm ab. Was folgt, ist die bewusste Entscheidung zur Selbständigkeit. Sie führt Franz Keller nach Italien, wo er sich von der Strenge des Vaters, aber vor allem auch von der der französischen Sterneküche befreit: „Italien hatte mir gezeigt, dass man sich wegen dem ganzen Quatsch auch nicht verrücktmachen lassen durfte“. Zurück in Deutschland, zieht es Keller Anfang der 1980er Jahre nach Köln. Mit „vier [eigenen] Läden und ungefähr neunzehn Konten bei verschiedenen Banken“ folgen Ruhm und Anerkennung, aber auch ein finanzielles Fiasko. Doch der Zufall will es, dass Großunternehmer Max Grundig auf ihn aufmerksam wird und Franz Keller als damals bestbezahltesten Koch Europas einstellt. Schließlich befördert Grundig ihn unverhofft zum Gastronomiedirektor des Schlosshotels „Bühlerhöhe“. Eine neue Herausforderung für Keller, die jedoch noch vor Vertragsende aufgekündigt und mit einer guten Abfindung belohnt wird. Das Kronenschlösschen in Eltville im Rheingau ist seine nächste Station. Ein kulinarisches Intermezzo sollte es werden, das erneut mit einem Stern gewürdigt wird, bevor Keller sich endgültig von der Jagd nach kulinarischen Sternen verabschiedet: „Jetzt wollte ich die Idee meiner eigenen Küche noch weiter führen. Eine Vision mit noch viel mehr Tiefgang als bisher, rein produktbezogen, handwerklich völlig ohne Schnörkel und Moden, bis hin zu meinen eigenen Tieren und deren Fleisch.“ Im Jahr 1993 setzt Keller seine Vision nur 250 Meter von seinem früheren Arbeitsplatz entfernt mit der „Adler Wirtschaft“ in Hattenheim in die Tat um. Wenig später folgt der nahgelegenen „Falkenhof“ in Heidenrot, wo er als Bauer unter anderem seine eigenen Rinder, Schweine und Hühner nach seiner eigenen Philosophie züchtet.
Den Finger in die Wunde(n) legen
Die Sterneküche lehrte Franz Keller „von unten nach oben zu denken“ und ein „Bewusstsein für die Qualität der Produkte zu entwickeln und auch das Einfache zu kultivieren und auf die denkbar beste Art zuzubereiten“. Dies hat Keller bis heute verinnerlicht und lebt seinen Traum vom Kochen als Genusshandwerk.
Um die Qualität der hierfür benötigten Produkte beziehungsweise das Fleisch und andere Lebensmittel, geht es dem Autor in der zweiten Hälfte seines Buches. Als streitbarer Freigeist und professioneller Koch und Bauer legt er den Finger in die Wunde(n) der Lebensmittelindustrie und prangert sie, aber auch uns als Verbraucher an. Schließlich sind wir es, die sich laut Keller immer mehr von der Natur entfremden und sich möglichst günstig ernähren wollen, ohne an das Tier- oder unser eigenes Wohl zu denken. Keller berichtet daher ausführlich und mit mahnenden Worten von modernen Massentierhaltungen, Produktionsmethoden zur Mastbeschleunigung, von „Fast-Food-Ketten, die ihre Kunden mit minderwertigem Fraß aus billigsten Rohstoffen und überzuckerten Getränken in die Verfettung treiben“ und vielem mehr. Der Autor nutzt seine zahlreichen Beispiele, um auf die Missstände unserer heutigen Zeit und ihre Auswüchse hinzudeuten. Hierbei besinnt sich Keller auf die eigenen landwirtschaftlichen Wurzeln und blickt auf frühere Zucht- und Schlachtungsmethoden zurück, die mit der heutigen Zeit nichts mehr zu tun haben. Nach Franz Keller solle künftig Schluss mit einer industriellen Nahrungsmittelproduktion sein, die den Respekt vor Tieren und Pflanzen verloren hat und den Menschen krank macht. Denn „wenn wir unser Ökosystem und diese Jahrtausende alte Partnerschaft [mit der Natur] weiterhin so missachten, ruinieren wir in rasantem Tempo unsere eigenen Lebensgrundlagen.“
Resümee
Mit „Vom Einfachen das Beste“ legt Franz Keller das Buch eines Praktikers und Realisten vor, das unter anderem zeigt, was es bringen kann, ehrgeizig und konsequent den eigenen Zielen und Idealen zu folgen. Der Autor bietet den Lesern unverstellte Einblicke in die Arbeitswelt der Sterneküchen beziehungsweise, wie er es nennt, „Knochenmühlen“ dieser Welt. Es ist ein unterhaltsames und vielschichtiges Werk, das sich mit Ironie und einer direkten, einfacheren Sprache an den Leser wendet und es dadurch umso authentischer wirken lässt. Es zeigt biografisch die Höhen und Tiefen im Leben eines bodenständig gebliebenen Koches, der sein Handwerk versteht und wieder aufsteht beziehungsweise Haltung wahrt, selbst wenn der Gegenwind rauer wird.
Zu guter Letzt regt Keller anschaulich zum Nachdenken an: Er zeigt auf, wie wir Menschen mit unserer Natur und unseren Tieren umgehen, nur um unseren modernen Lebensgewohnheiten weiterhin treu zu bleiben, die uns scheinbar keine Zeit mehr für eine gesunde und ausgewogene Ernährung beziehungsweise zum Kochen lassen. Grund genug für Keller, sein Buch auch mit ein paar eigenen, leicht nachkochbaren Gerichten zu garnieren.
Als kleiner Wermutstropfen sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Keller sich gern und insbesondere in der zweiten Hälfte des Buches der Eigen-PR bedient. Sie tritt vor allem dann in Erscheinung, sobald Franz Keller auf sein eigenes ganzheitliches und nachhaltiges Tun in der Adler Wirtschaft und auf dem Falkenhof positiv hinweisen kann. Der geneigte Leser kommt somit nicht umhin, beiden Wirkstätten Kellers nach der Lektüre einen Besuch abzustatten. Abgesehen davon ist „Vom Einfachen das Beste“ eine durchaus lesenswerte, informierende und zum Schmunzeln anregende Publikation, die nicht umsonst bereits nach kurzer Zeit in der Sachbuch-Bestsellerliste vertreten ist.