LuxSpots | Interview mit Spitzenkoch Thomas Bühner

Thomas Bühner im VIP-Zelt der Porsche European Open 2023. Credit: LuxSpots.de

Thomas Bühner, 1962 im Tecklenburger Land geboren, kocht seit über 20 Jahren in der ersten Liga der deutschen Köche. In seinem Restaurant La Vie in Osnabrück erkochte sich Bühner 2011 seinen dritten Michelin-Stern, davor und danach zahlreiche weitere Auszeichnungen. Heute ist er selbstständig und breit aufgestellt: Er nutzt seine Bekanntheit als Gastkoch bei großen (TV-)Events, spricht auf Food-Symposien, entwirft für Hotels moderne Restaurants und Küchen oder berät Lebensmittelkonzerne, die sich verändern wollen. Mit seinem neuesten Herzensprojekt ist er nun in Taipeh, Taiwan, aktiv.

Wir trafen Thomas Bühner am Rande des Profi-Golfturniers Porsche European Open 2023 in Winsen (Luhe) bei Hamburg und sprachen über seine aktuellen und zukünftigen Projekte, die Herausforderungen der vergangenen Jahre, das Besondere an der (Event-)Gastronomie und welche Tipps er dem Nachwuchs mit auf den Weg geben möchte.

LuxSpots: Welchen Stellenwert hat Kulinarik in der Hotellerie heute?

Thomas Bühner: Kulinarik ist heutzutage eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen guten und exzellenten Hotels. Viele Jahre war das jedoch immer so gesehen worden, wie ein notwendiges Übel. Also, quasi wie die Gästetoiletten. Aber heute macht sie den Unterschied aus.

LuxSpots: Aus welchem Grund engagieren Sie sich mittlerweile in Taipeh?

Thomas Bühner: Nach Taipeh bzw. Taiwan bin ich eher zufällig gekommen: Als eine Journalistin im Zuge einer Veranstaltung in Portugal beim Frühstück in die Runde fragte, wer denn Lust hätte, ein Hotel in Taiwan zu beraten, da habe ich sofort gesagt: Ich! Zu diesem Zeitpunkt musste ich sowieso nach Hongkong reisen, von wo aus ich direkt nach Taiwan weiterfliegen konnte. Und so bin ich schließlich an den Auftrag gekommen, das Kaohsiung Marriott Hotel im Süden Taiwans für insgesamt drei Jahre zu beraten. Hier habe ich unter anderem das Personal ausgesucht und einen exzellenten Küchenchef gefunden. Und als schließlich die Frage aufkam, etwas Eigenes in Taiwan zu machen, habe ich mich kurzerhand für die Hauptstadt Taipeh entschieden.

LuxSpots: Insofern ist die Entwicklung von Gastronomiekonzepten eines Ihrer Standbeine?

Thomas Bühner: Ja, und das macht mir auch großen Spaß. Wobei ich dazu deutlich sagen muss, ich mache das auf jedem Niveau. So habe ich unter anderem bereits für die Helios Kliniken ein Kantinenkonzept entwickelt. Mir wird jedoch häufig unterstellt, ich würde nur auf einem 3-Sterne-Niveau arbeiten, was aber nicht wahr ist. Denn hierzu gehört viel, viel, viel mehr als beispielsweise der Einsatz von Kleinigkeiten wie Stoffservietten.

LuxSpots: Wie kam der Kontakt zu Porsche bzw. den Porsche European Open zustande?

Thomas Bühner: Ich habe mich einmal für ein Konzept in Hongkong bemüht, zusammen mit einem Partner aus Hamburg. Das ist jedoch leider nichts geworden, da zu diesem Zeitpunkt die Proteste in Hongkong losgingen und mit der Machtübernahme der Chinesen das Projekt gestorben war. Doch dann kam U.COM mit einer Kooperationsanfrage auf mich zu, die nicht im gleichen Gewässer wie andere wildern. (lacht) Und so kam schließlich die Zusammenarbeit mit dem Eventunternehmen und ihrem Inhaber Dirk Glittenberg zustande, der kulinarisch sehr interessiert ist. Er sprach mich auf sein Projekt mit Porsche an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, hier ein wenig Glanz in die Hütte zu bringen. Das mache ich nun bereits im dritten Jahr.

LuxSpots: Werden Ihnen seitens Porsche oder U.COM Vorgaben gemacht?

Thomas Bühner: Nein, überhaupt nicht. Aber es ist auch so schon schwer genug für mich, denn die Eventgastronomie ist eine total andere Baustelle. Heute haben wir hier im VIP-Zelt der Porsche European Open beispielsweise über 700 Gäste. Dazu muss man wissen, wenn man in ein 3-Sterne Restaurant geht, weiß man, was es dort gibt, und dann lässt man sich auch ein Stück weit darauf ein. Hier muss es jedoch zwingendermaßen „Everybody‘s Darling“ sein. Mit einem Toast, einem wachsweichen Ei und einem Seeigelschaum mache ich hier keinen glücklich. Egal, wie gut es ist. Stattdessen versuche ich meinen Geschmack mit einzubringen, wie die Hummer-Bolognese, die sehr viel Lob bekommen hat und sehr gut ankommt, bis hin zum Lachs mit Spargel.

LuxSpots: Spielt Regionalität eine wichtige Rolle bei Ihrer heutigen Speisenauswahl?

Thomas Bühner: Nun, wir sind hier in einer Spargelregion. Da wäre es unanständig, wenn wir keinen Spargel anbieten würden. Es gibt Produkte, da macht Regionalität einfach einen großen Sinn: Der Blumenkohl wird nicht besser, wenn er einmal um die Welt geflogen ist. Auch der Spargel ist da, wo er herkommt, in der Regel am besten. Und bei anderen Produkten ist es halt nicht so. Aber da, wo es Sinn macht, ist es halt auch gut.

LuxSpots: Wonach haben Sie Ihre internationalen Köche ausgewählt, die heute hier mit Ihnen zusammenarbeiten?

Thomas Bühner: Die sind allesamt „Family & Friends“. Sie kommen aus meinem Bekanntenkreis und wurden auch vor dem Hintergrund „How to please our guests?“ ausgewählt. Bei Sushi wissen wir natürlich, dass das einen Hype hat, und Luis [Bandera] macht das toll. Zudem gibt es eine sehr gute Verbindung zu Portugal via U.COM sowie über mich zu Big Green Egg. Denn das Barbecue-Thema zieht ja auch jeden an.

LuxSpots: Wie sieht die (Event-)Gastronomie heute aus?

Thomas Bühner: Ich glaube, die Zeiten sind vorbei, wo die Gastronomie nur auf einer Säule steht. Das schlechteste Beispiel zuerst: Früher gab es Restaurants in Fernsehtürmen, die sich noch gedreht haben. Und dann war es egal, welchen Kaffee man hatte, weil es eben ein drehbares Restaurant gab. Sowas gibt es heute alles nicht mehr. Nur ein schöner Ausblick hilft halt nicht. Ich muss heute eine gute, verlässliche Leistung abliefern. Und das gilt für die Event- wie für die Permanent-Gastronomie gleichermaßen: Ich muss gute Produkte haben. Ich muss ein Anziehungspunkt sein und einen eigenen Stil entwickeln. Ich muss etwas anbieten, was die Leute dazu bewegt, auch bei mir anzuhalten. Ich muss an unterschiedlichen Punkten etwas Tolles bieten.

LuxSpots: 2018 musste Ihr Restaurant La Vie in Osnabrück schließen, wenig später kam Corona. Wie geht Thomas Bühner mit Herausforderungen um?

Thomas Bühner: Für mich ist das Leben aktiv. Ich nehme jede Herausforderung als Chance an. Ich musste mich zweimal neu erfinden und überlegen, wie geht es weiter. Als beim ersten Corona-Lockdown alle bereits über Corona geredet haben, klingelte bei mir trotzdem jeden Tag das Telefon. Doch nach den Anfragen kamen auch viele Absagen, sodass ich mir sagte: Ein halbes Jahr ist kein Problem, doch danach muss ich mir was anderes überlegen. Und dann habe ich eben auch Sachen gemacht, wo ich früher unter Folter gesagt hätte, die mache ich nicht, wie beispielsweise Gourmetboxen. Zudem habe ich meinen Webshop ausgebaut und hatte bereits die Beratung in Taiwan.

Die Taiwaner haben dann gesagt: Dürfen wir Dich überhaupt fragen, ob Du in Corona-Zeiten zu uns kommst? Du musst 14 Tage in Quarantäne gehen. Da habe ich gesagt: Das mache ich. Mittlerweile bin ich Quarantäne-Weltmeister, denn ich habe insgesamt fünfmal in Taiwan in Quarantäne gesessen. By the way: Das ist die halbe Zeit, die Boris Becker im Knast verbracht hat, und ich habe kein Buch darüber geschrieben. (lacht) Ich habe die Zeit im Hotel als Homeoffice genutzt. Und so hatte ich wirklich gut zu tun gehabt und musste glücklicherweise keine Existenzängste haben.

LuxSpots: Wo erleben wir Thomas Bühner in drei Jahren?

Thomas Bühner: Ach, das weiß ich gar nicht so genau. Zum einen bin ich in Taipeh zu finden, das ich wirklich jedem empfehlen kann, weil es ein traumhaftes Reiseziel ist: Auf kleinem Raum gibt es eine wirklich tolle Vielfalt, exzellente Küche auf jedem Niveau, von Streetfood bis 3-Sterne. Zum anderen denken wir derzeit über zwei neue Projekte in Deutschland nach, die jedoch noch nicht spruchreif sind. Auch berate ich gerade ein Boutique-Hotel in Spanien, wo ich helfe, die Infrastruktur aufzusetzen und nötige Vorarbeiten umzusetzen. Aber ich lasse im Moment noch offen, inwieweit ich mich dort weiter engagiere oder nicht. Das hängt auch davon ab, ob mir das später noch gefällt. Denn wenn viele Leute mit reinreden, habe ich vielleicht nicht mehr so viel Spaß daran. Aber im Moment ist das eine sehr schöne Zusammenarbeit, die ich sehr schätze.

LuxSpots: Welche Tipps sollten junge Menschen befolgen, die in den Küchen der Gastronomie oder Hotellerie Karriere machen möchten?

Thomas Bühner: Erstens: Folge bitte keinen Trends. Das einfachste Gegenbeispiel sind die italienischen Restaurants, die seit 50 Jahren in Deutschland das Gleiche kochen. Und ich kenne genügend Leute, die seit 45 Jahren zu Claudio gehen und immer das Vitello tonnato essen, weil es halt so gut dort ist. Also, vergiss bitte Trends.
Zweitens: Das unschöne Wort Disziplin ist in unserem Beruf sehr wichtig. Und damit meine ich nicht nur morgens aufstehen und zur Arbeit gehen, sondern auch abends Feierabend machen. Und dass man auf den eigenen Körper achtet sowie darauf, Spaß bei der Arbeit zu behalten. Das finde ich ganz wichtig.

Drittens: Beständigkeit. Einmal etwas Gutes zu machen, ist unheimlich einfach. Etwas zwei-, dreimal gut machen oder überhaupt zu reproduzieren, ist die größte Aufgabe. Aber die muss ich halt erfüllen, wenn ich will, dass meine Gäste häufiger zu mir kommen.

Und dann glaube ich, muss man teamfähig sein. Da haben sich die Anforderungen in der Küche ja sehr verändert. Ich habe immer schon sehr viel Wert auf mein Team und ein respektvolles Miteinander gelegt.

LuxSpots: Herr Bühner, herzlichen Dank für das Gespräch.


STECKBRIEF zu Thomas Bühner

Stationen der Ausbildung und Karriere: Thomas Bühners berufliche Laufbahn begann mit einer Ausbildung zum Koch im Schweizer Haus in Paderborn. Ab 1983 arbeitete er im Hilton Hotel in Düsseldorf unter der Leitung von Günter Scherrer. 1984 wechselte Bühner in das Landhaus Scherrer nach Hamburg. Danach sammelte der ambitionierte Koch weitere Erfahrungen in verschiedenen Restaurants wie dem Restaurant Grand Cru in Lippstadt und dem Restaurant Jörg Müller in Westerland auf Sylt. Ab 1989 war er Chef de Partie in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn. 1991 wechselte Bühner als Küchenchef in das Restaurant La Table nach Dortmund. Von 2006 bis 2018 war er Küchenchef im Restaurant La Vie in Osnabrück, das mittlerweile geschlossen ist. Seit 2018 ist Thomas Bühner als Gastkoch, Keynote Speaker und Berater für internationale Gastronomiebetriebe tätig. Im April 2023 eröffnete Bühner sein neues Restaurant mit dem Namen La Vie by Thomas Bühner in Taipei, Taiwan.

Auszeichnungen: 1996 erhielt Thomas Bühner für das Restaurant La Table in Dortmund seinen ersten Michelin-Stern, 1998 folgte der zweite Stern. 2001 wurde er von Gault&Millau zum Aufsteiger des Jahres gekürt und 2006 erhielt sein Restaurant die Auszeichnungen Restaurant des Jahres von DER FEINSCHMECKER sowie Koch des Jahres von Gault&Millau. 2011 wurde das Restaurant La Vie von Gault&Millau erneut zum Restaurant des Jahres gekürt. Im selben Jahr wurden Thomas Bühner und sein La Vie in Osnabrück mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. 2012 folgte eine weitere Auszeichnung von DER FEINSCHMECKER zum Koch des Jahres und 2017 erkochte Thomas Bühner sich die Taittinger Chefs Trophy.

Restaurant: Das La Vie by Thomas Bühner in Taipeh, Taiwan, bietet gehobene Küche mit europäischen Einflüssen und hochwertigen taiwanesischen Produkten. Der Stilmix aus europäischer und asiatischer Ästhetik spiegelt sich auch im Interior Design wider. Das Fine-Dining-Restaurant verfügt über 27 Sitzplätze und verbindet natürlichen Charme mit Eleganz. Das La Vie by Thomas Bühner befindet sich seit seiner Eröffnung Anfang 2023 in einem luxuriösen Einkaufszentrum in Taipeh. Als Ideengeber und Schirmherr ist Thomas Bühner regelmäßig vor Ort.